Instant Storys nach dem Theater Direkt Prinzip
Danke an Lorenz Hippe für das Konzept zum kollektiven Geschichten entwickeln.
Im Rahmen der Recherche habe ich mit verschiedenen KünsterInnen Instant-Storys zum Thema entwickelt. Ziel und Idee war einen unbewussten und kreativen Zugang zum Thema zu schaffen.
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Hier eine Auswahl der Entstandenen Geschichten:
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Clara auf dem Mars
Die Geschichte handelt von mir, in dieser Geschichte heisse ich Clara und bin 12 Jahre alt ist.
Clara hat pinke Haare und trägt nur grüne Klamotten, meist eine Hose und darüber ein Kleid sowie einen grünen Schal.
An einem späten sonnigen Herbstnachmittag steht Clara in einem Park auf den Mars, rings um sie herum stehen riesige Bäume mit Blättern in den verschiedensten Farben, das Gras fühlt sich an wie auf so Marschmellows laufen. Die Bäume haben keine Namen aber Gesichter und können sprechen. Das Gras kann nicht sprechen, aber es summt konstant, allerdings kann niemand es verstehen.
Plötzlich stürzt eine kleine Sonne auf den Mars ein und ganz viele weiße Pferde laufen von der Einsturzstelle auf Clara zu. Clara verspürt eine positive Aufregung, Interesse und Neugierde. Alle Pferde laufen an ihr vorbei und plötzlich ist überall nur noch Schneelandschaft. Die Bäume und der Park sind weg, alles ist nur noch weiß und hell.
Clara stampft durch den Schnee, der Schnee ist warm und hell, und hat so eine Geborgenheit. Irgendwann erreicht Clara eine Höhle. Die Höhle sieht aus wie ein Dachsbau, es gibt eine Stehlampe und der Tee dampft schon. Aus der Höhle kann Clara aus dem Fenster auf den Schnee sehen und fühlt sich ringsum geborgen.
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Zeitblase oder der alte Mann und das Kind
Da sind ein Kind und ein alter Mann, sie haben keine Namen. Sie kommen aus der Vergangenheit und befinden sich jetzt in der Zukunft. Aber sie sind sehr ruhig, was diese Tatsache angeht.
Der Junge trägt ein T-Shirt und Shorts und schöne Sandalen. Diese Sandalen, die fast wie ein Schuh mit einer Spitze sind und aus denen ein Stück Socke herausschaut. Sein Haar ist schulterlang.
Der alte Mann ist eher klassisch, wie eine Disney-Figur. Er trägt einfach eine graue Jacke und ein beiges Hemd, eine graue Hose und einen schwarzen Gürtel und schwarze Schuhe.
Wenn man die beiden sieht, würde man vielleicht feststellen, dass ihre Kleidung ein bisschen altmodisch ist. Aber es ist ein alter Mann, und vielleicht kleidet der alte Mann den jungen Mann ein, also ist es auch erklärbar.
Es ist früher Nachmittag im späten Frühling, die Zeit um sie herum ist nicht die Zeit, aus der sie kommen.
Sie befinden sich in einer Art unsichtbarer Blase, sie können die anderen sehen, aber die anderen können sie nicht sehen.
Sie gehen und halten sich am selben Ort auf und sind nicht losgelöst von der Realität um sie herum, als sie anfangen zu reden, ist nicht hörbar, was genau sie sprechen.
Ihre Beziehung ist wie eine Beziehung zwischen Großvater und Kind. Der alte Mann erklärt dem kleinen Jungen Dinge, und manchmal wird der Junge von etwas um sie herum gefangen genommen.
Es ist etwas ganz Gewöhnliches, aber durch die Luftblase und diese Abgehobenheit entsteht eine eigenartige Atmosphäre. Man spürt, dass etwas nicht stimmt, aber man kann nicht erkennen, warum.
Dann, in einem Moment, verlässt der Junge die Blase. Aber es war nicht seine Schuld, es war nur der Moment, in dem sich die Membran der Blase öffnete und er von einem Schmetterling abgelenkt wurde. Der alte Mann merkt, dass das Kind draußen ist, aber das Kind nicht.
Der alte Mann ist wütend auf das Kind, das Kind ist verängstigt.
Das Kind ist der einzige, der den alten Mann in der Blase noch sehen kann, aber die anderen Leute um ihn herum können es nicht.
Aber natürlich bemerkt jetzt jemand das Kind, und die Leute beginnen zu fragen, wie es an diesen Ort gekommen ist. Aber wenn er ihnen seine Geschichte erzählt, glaubt ihm niemand. Die Erwachsenen um ihn herum dachten, sein Großvater sei gestorben, und seine Erklärungen seien nur eine ausgefallene Kindergeschichte.
Und so kommt es, dass der Junge in der Zukunft feststeckt, während der alte Mann in die Vergangenheit zurückkehren muss.
In der Vergangenheit versucht der alte Mann, einen Weg zu finden, das Kind zurückzuholen, aber es vergehen viele Jahre.
Der Junge ist durch diese Erfahrung sehr traumatisiert, aber er schafft es trotzdem, sein Leben zu meistern. Er beginnt zu glauben, dass sein Blasenerlebnis nicht real ist - es ist eine Kindheitsphantasie.
Er entwickelt einige seltsame Verhaltensweisen.
Inzwischen ist er sehr attraktiv geworden, ein verdammt heißer Typ. Und er ist der klassische Bad Boy, aber mit einer sehr romantischen Seite.
In der Vergangenheit ist sein Großvater, der alte Mann, bereits gestorben. Aber seine Schwester hat einen Weg gefunden, aus der Vergangenheit zu ihm zu reisen. Sie kommt ihn besuchen und erklärt ihm, woher seine Kindheitsfantasien kommen und warum er immer das Gefühl hatte, nicht an den Ort zu gehören, an dem er jetzt ist.
Aber da er nun in der Zukunft aufgewachsen ist, gehört er auch nicht in die Vergangenheit - und auch nicht in die Zukunft.
Die Geschwister bewegen sich in der Zeit hin und her, bis er begreift, wer er ist. Er ist eine Mischung aus diesen beiden Zeiten, und er versucht, das Beste aus diesen beiden Zeiten herauszuholen und das Gift dieser beiden Zeiten nicht in seine Gedanken eindringen zu lassen. Sein neues Bestreben ist es also, der beste Zukunfts- und Vergangenheitstyp in einer Person zu werden. Dann setzt die Zeitmaschine aus. Und sie müssen sich entscheiden, in welcher Zeit sie leben wollen.
Und er entscheidet, dass sein Platz in der Gegenwart ist - während der Platz seiner Schwester in der Vergangenheit ist.
Von da an ist der Kerl zwar immer noch brandheiß - aber kein Vollidiot mehr.
"Die Körper öffen sich der Kontinuität durch jene geheimen Kanäle, die uns die Empfindung der Obszönität vermitteln. Die Obszönität bezeichnet die Verwirrung, die eine dem Selbstbesitz, dem Besitzt der dauerhaften und sich behaupteten Individualität entsprechende Verfassung der Körper stört. Es findet eine Enteignung statt im Spiel der Organe, die sich in der stetig wiederkehrenden Verschmelzung verströmen, ähnlich dem Hin und Her der Wellen, die sich durchdringen und ineinander verlieren."
Georges Bataille - Die Erotik
Bewegungsrecherche
Music: Ophelia Sullivan
Tanz: Rouven Pabst, Lorenzo Ponteprimo
Video: Evelina Winkler
Music: Ophelia Sullivan
Video: Evelina Winkler
Music: Ophelia Sullivan
Tanz: Sarah Herr, Lorenzo Ponteprimo, Rouven Pabst, Cecilia Ponteprimo
Video: Evelina Winkler
"Die Kunst des Schaffens ist nichts ohne die unermessliche fortwährende Teilnahme und Mitarbeit der realen Welt, nichts ohne die tausendfache Harmonisierung der Dinge und Wesen; und die Freude des Schöpfers ist dadurch unsagbar reich, weil sie Erinnerungen an das Hervorbringen und Gebären von Millionen enthält. In einem einzigen schöpferischen Gedanken wohnen tausend vergessene Liebesnächte, die ihn mit Unermesslichkeit durchdringen. Und diejenigen, die in der Nacht zusammenkommen, verschlossen in drängendem Verlangen, sammeln Nektar, erzeugen Kraft und Süße für eine zukünftige poetische Äußerung, die die Verzückung besingen wird."
Rainer Maria Rilkes: Briefe an einen Jungen Dichter
Literatur Recherche
Buch empfehlungen:
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Agonie des Eros von Byung-Chul Han
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Sexual Personae: Art and Decadence from Nefertiti to Emily Dickinson von Camille Paglia
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Die Erotik von Georges Bataille
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Sex and Storytelling in Modern Cinema: Explicit Sex, Performance and Cinematic Technique (International Library of the Moving Image) Taschenbuch – Illustriert, 11. November 2015 Lindsay Coleman
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Embodied Performances - Sexuality, Gender, Bodies von Beatrice Allegranti
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Vulva Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts - Mithu M. Sanyal
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Frauen Körper Tanz - eine Zivilisationsgeschichte des Tanzes von Gabriele Klein
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"Der westliche Blick schafft DINGE, Idole apollinischer Objektivierung.
Die Pornographie bereitet vielen wohlmeinenden Menschen Unbehagen, weil sie das voyeuristische Moment isoliert, das in aller Kunst steckt, ganz besonders im Film.
Alle Kunstcharaktere sind Sexualobjekte. Die emotionale Reaktion des Zuschauers oder Lesers lässt sich von der erotischen nicht trennen."
Camille Paglia - Die Masken der Sexualität
Interviews
Eine Auswahl an Fragen und anonymisierten Antworten
von KünstlerInnen aus verschiedenen Sparten.
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Wie würdest du Erotik definieren? Was ist der Unterschied zwischen Erotik und Sexualität?
- Tiefschwarze Sexualität. Ich weiß nicht, ob dunkel das richtige Wort ist. Aber eine sehr tiefe...
Fast wie im Untergrund mit ihrer Intensität. Mit einer sehr rohen - einer Rohheit. Wie der wirklich rohe Teil... Wie die roheste Form der Sexualität.
- Der Körper, aber auch Fantasien, die Haltung einer anderen Person, Spiele - wie man miteinander spielt.
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- Für mich ist Sexualität etwas sehr natürliches. Das sind bestimmte Impulse oder Reize auf die man Anspricht. Oder ein Gefühl für den eigenen Körper, Bedürfnisse oder Wünsche. Während Erotik für mich schon die Umsetzung ist etwas Gewünschten oder auch nur die Vorstellung. Also die Sexualität in einer Situation oder ein Bild zu bringen. Und Sexualität wäre dann für mich Basis. Ich finde es sehr schwierig abzugrenzen von Bedürfnisse des Körpers. Ist Sexualität nicht irgendwie immer teil des Körpers, wenn es um Sexualität geht geht, geht es dann nicht immer auch um den Körper?
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- Ich habe das Gefühl, dass die Sexualität im Vergleich zur Erotik nicht gefiltert ist. Ich habe das Bild eines Samens.
Ich würde es wie die Tiefe dieses Samens definieren, der herauskommt. Es ist der Akt, die eigene Erotik zu akzeptieren. Aus dieser Tiefe der Erotik heraus zu handeln.
Für mich bedeutet das, mich völlig gehen zu lassen. Und alle zusätzlichen Filter oder Dinge, die uns die Gesellschaft aufdrücken will, wegzunehmen. Wenn ich mit meiner wahren Sexualität verbunden bin, ist das eine sehr reine Form des Loslassens und des Einlassens von Lust.
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- Es ist ein Teil des Ausdrucks einer körperlichen Liebe. Körperliche Liebe kann von einer Umarmung bis zu ... ich weiß nicht ... reichen, aber sie kann viele verschiedene Schattierungen haben.
Nicht jeder Ausdruck von körperlicher Liebe fällt in den Bereich der Sexualität.
Sonst hätte jedes Mal, wenn man jemandem die Hand schüttelt oder ihn umarmt, ein Hauch von Sexualität.
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Spielt Erotik bzw. Sexualität in deiner Arbeit eine Rolle?
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- Es gibt ganz viele erotische Momente. Wobei diese Momente gar nicht unbedingt etwas mit sexueller Erregung sondern eher mit Erregung oder Spannung zu tun haben. Das unbekannte Entdecken, die Anziehung. Ich finde, das ist essentiell in meiner Arbeit.
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- Sexualität spielt eine sehr verdeckte aber riesige Rolle in meiner Arbeit als Tänzerin und Choreographin. Verdeckt in dem Sinne, das ich es nicht zum Thema der Arbeit mache und es nicht fokussiert in den Raum stelle aber insofern das es immer mitverhandelt, mitgedacht wird.
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- Ich habe das Gefühl, dass die Absicht, die ich verfolge, nicht immer die ist, die das Publikum vor Augen hat. Aber meistens geht es um Erotik, nicht um das Konzept.
Denn ich habe das Gefühl, dass es für die Leute sehr einfach ist, von Tänzern angemacht zu werden. Und das kann sich für mich sehr unangenehm anfühlen.
Wenn meine Arbeit als Choreografin oder Tänzerin als etwas Sexuelles wahrgenommen wird, obwohl es nicht so gemeint ist. Es ist, als ob man jemanden umarmt, was ein körperlicher Ausdruck von Liebe ist, und jemand versteht es als etwas Sexuelles, und man selbst versteht es nicht. Es ist wie IHHH - hör auf mich zu umarmen.
Und ich habe das Gefühl, dass das bei uns sehr oft vorkommt. Nur weil sich ein Körper vor einem bewegt - die Leute nehmen das sofort als etwas Sexuelles wahr.
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Welche Rolle spielt deiner Meinung nach Erotik oder Sexualität in Bezug auf den tanzenden Körper?
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- Nicht in jedem Tanzstück das ich sehe finde ich Erotik, aber ich denke, es ist immer ein Hauch von ihr dabei. Manchmal bin ich sehr überrascht, wie die Dinge auf mich in dem Moment wirken.
Aber ich sehe es eher in etwas Unbearbeitetem, das nicht kontrolliert ist.
- Ich denke, Ballett ist sexy. Das ist eine Kombination aus meiner Überzeugung, die mir schon in jungen Jahren vermittelt wurde. Ich weiß einfach, dass es schön und rein ist, aber irgendwie auch wirklich rein.
Ballett ist für mich eine eigene kleine Blase, und ich finde es sehr sexy.
Mir läuft das Wasser im Mund zusammen bei der Kombination von Kontrolle und Loslassen.
- Das Publikum ändert viel daran, ob eine Bewegung sexy wirkt oder nicht. Auch das Bühnenbild hat einen Einfluss darauf, ob ein bestimmtes Stück als sexy empfunden wird oder nicht.
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- Allein nur Tanz ist für mich nicht Erotisch. Da bin ich überfordert wenn es nur Tanz ist.
Aber ich liebe Cabarret. Da spielt für mich nicht nur der Menschliche Körper eine Rolle. Sondern die Musik, die Atmosphäre, wie sind dieser Räume gestaltet ist.
So wie „Crazy Horse“, das sind halt so typische Bewegungen. TänzerInnen würden jetzt sagen, sie machen halt ne große Zweite und zeigen viel Haut. Also die machen die Beine breit, schmeißen sie hoch und schwingen die Boobies rum.
Aber ich mag die Athmosphäre so sehr, man sitzt da so in diesem kleinen Theater, alles ist in roten Samt eingeschlagen. Dadurch ist die Akustik auch schon ganz anders. Und dann gibt ja auch immer jemand der so durchführt. Das war da so eine sehr kräftige Frau mit glitzer und krasser Perücke. Es war irgendwie geil, ein Erlebnis, man taucht dabei in so eine Welt aus. Das macht für mich die Erotik aus. Nicht die Bewegungen sondern die komplette Atmosphäre.
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Virtuelle Workshops
Workshops und Austauschrunden über Zoom u.a. in Kooperation mit Amalie - Beratungsstelle für Prostitution